Nach "Auf die Hand" und dem "Craft Beer Kochbuch" ist "Open Air - Das Festival- & Camping-Kochbuch" nun die dritte erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Stevan Paul und der Fotografin Daniela Haug. Vermutlich ist es sein persönlichstes, da er bereits im Vorwort von seinen Camping-Erfahrungen berichtet. Schon mit den Eltern war er auf Reisen. Auch heute noch ist er unterwegs und gönnt sich eine Auszeit auf kleinen, aber feinen, Musik-Festivals. Diese Musik-Festivals sind der zweite Schwerpunkt des Buchs. Als gelernter Koch legt er auch in der Outdoor-Küche großen Wert auf gutes Essen mit Geschmack. Damit spricht er mir sehr aus dem Herzen. Ich bin ebenfalls sehr reiselustig, aber nichts erschreckt mich mehr, als gruseliges Essen unterwegs. Sogar auf einer vier-wöchigen Sahara-Durchquerung haben wir jeden Abend für die ganze Mannschaft gekocht. Unter diesen extremen Bedingungen waren Dosen unvermeidbar. Trotzdem haben wir, mit selbstgemachten Schmalz und frisch geschnittenen Zwiebeln oder sonstigen Zutaten, alles aufgepeppt. Insofern war mir schon lange klar, dass dieses Buch gut zu mir passt.
Bei der Gestaltung hat sich der Verlag etwas ganz besonderes ausgedacht. Mit dem abwaschbaren Softcover in türkis, den abgerundeten Ecken und dem knall-orangen Gummiband wirkt es wie ein Notizbuch. Und dieser Eindruck setzt sich im Inneren fort. Da sind die bunten, fröhlichen Bilder der feiernden Menschen zu anregenden Collagen zusammengesetzt oder sie sind wie eingeklebte Polaroids gestaltet. Tipps, Tricks und Listen sehen aus, wie Schreibmaschinen-Notizen. Das macht Laune auf den Sommer und das ungezwungene Leben im Freien.
Damit den kulinarischen Genüssen außerhalb einer perfekt eingerichteten Küche nichts im Wege steht, gibt es im Kapitel "Los geht's" jede Menge Tipps und Tricks wie man packt, was man mitnehmen sollte und wie man Gerichte vorbereiten kann. Die langjährige Erfahrung von Stevan merkt man sofort an dem genialen Tipp mit den trinkbaren Kühlelementen. Das kannte ich noch nicht und alleine dafür hat sich das Buch schon gelohnt.
Als kochender Selbstversorger beim Camping müssen den ganzen Tag Mahlzeiten auf den Tisch. Diesem Anspruch trägt das Buch Rechnung und liefert Rezepte bereits zum "Frühstück" und auch für "Zwischendurch & Energie". Für die Hauptmahlzeiten morgens und abends finden sich Anregungen bei "Grillen Teil 1", wo es hauptsächlich um Beilagen und Basics geht und bei "Grillen Teil 2" mit vielen Fleisch-, Fisch- und Burger-Gerichten. Auch die zweite wichtige Energiequelle, der Gaskocher, wird ausgiebig gewürdigt . Dabei wird unterschieden, ob man auf dem Gaskocher "Aus der Pfanne" oder "Aus dem Topf" kocht. "Astronautenfood" zeigt Möglichkeiten auf, daheim die maximale Vorbereitung zu erledigen, damit am Ort des Geschehens mit ein paar Handgriffen gekocht ist. Verdursten sollte natürlich auch niemand und so sind Rezepte zu Limonaden und Cocktails im Kapitel "Drinks & Erfrischungen" zu finden. Unter dem Titel "Pimp my....." gibt es einen kleinen Exkurs, wie man mit Fertigprodukten (natürlich nur in aller-aller-schlimmsten Extremsituationen) trotzdem schmackhafte Gerichte bekommt. Ja, manchmal geht es nicht anders und dafür sind diese Ideen hilfreich.
In den einzelnen Kapiteln finden sich nicht nur Rezepte, sondern auch ausführliche Beschreibungen, wie unter den besonderen Bedingungen beste Ergebnisse erzielt werden können. Besonders erwähnen möchte ich die fünf Methoden, unterwegs Kaffee zu kochen und das "Drei-Tage-Etappen-Grillen".
Zwischen den Kapiteln mit Anregungen zur Outdoor-Küche gibt es kleine, sehr anregende Einschübe, die viele europäische Musikfestivals in Wort und Bild vorstellen. Dabei sind: Roskilde, Summer-Jam, Melt!, Acoustic Lakeside, Sziget, und Dimensions. Wie es sich bei einem Konzert gehört findet sich auch im Buch eine "Zugabe" und dort werden Rezepte von Festival-Köchen vorgestellt, die Stevan neu kennengelernt hat. Und jetzt habe ich noch einen kleinen Tipp für Stevan. Auf den Reggae-Festivals kocht oft Steffen Prase, dessen Ackee-Burger unbedingt probiert werden muss. "Moa Fire" heißen seine zwei Kochbücher, die alle im Eigenverlag erschienen sind und kreative vegetarische Gerichte beinhalten.
Abgerundet wird der Praxisteil mit einem alphabetischen Rezept-Register und einem, sagen wir mal, mutigen Jugendfoto das Autors :-). Die Rezepttitel in diesem Register sind mit den identischen Symbolen gekennzeichnet, die auch bei den Rezepten Verwendung finden. Ich bin kein großer Freund dieser Piktogramme, da ich mir nie die Bedeutung merken kann. Hier hätte es mir besser gefallen, mehrere Register nach den jeweiligen Gesichtspunkten zu erstellen.
Die Rezepte werden unterschiedlich dargestellt. Es gibt die klassische "Langform" mit einem kleinen Einleitungstext, Zutatenliste und Beschreibung der Zubereitung. Auch hier finden sich die Symbole und mein Rätselraten wieder. Beim Lesen der ergänzenden Texte wird es wieder verständlicher. Bei einfachen Grund-Rezepten wird die textliche Darstellung komprimiert und die Zutatenliste ergibt sich aus den farblich markierten Textstellen in der Rezept-Beschreibung. Das ist praktisch. Jedes Rezept der "Langform" hat ein Rezeptbild auf der gegenüber liegenden Seite. Fast jedes Rezept der "Kurzform" ist zusätzlich mit einem Foto illustriert.
Für diese Rezension wollte ich Rezepte aus drei unterschiedlichen Kapiteln möglichst unter Outdoor-Kriterien ausprobieren. So entschied ich mich für den eingemachten Lachs aus dem Frühstücks-Kapitel, ein Huhn vom Grill und Käserösti auf dem Gaskocher. Dabei habe ich mich eng an die Rezepte gehalten und alles hat wunderbar funktioniert. Den Lachs finde ich auch im Alltag eine gute Idee, wenn man etwas vorbereiten möchte. Der ist ebenso sehr gut für ein edles Picknick geeignet. Das gegrillte Huhn und die Rösti sind Klassiker, die schmecken auch das ganze Jahr daheim.
Hähnchen vom Grill |
Hähnchen vom Grill schmeckt immer und nach diesem Buch besonders gut. Es wird halbiert und mit einer Mischung aus Olivenöl, Zitronensaft und -schale, Knoblauch, Fenchel, Rosmarin, Thymian und Oregano mariniert. Den Rest erledigt der Grill. Dazu gab es bei uns ein Karottengemüse. Das schmeckt auch kalt und könnte bereits daheim komplett fertig zubereitet werden.
Käserösti |
Für die Rösti habe ich im Keller unseren alten Camping-Gaz-Kocher ausgegraben. Der ist so alt, dass er eine echte Rarität ist und sogar noch mit No-Name-Kartuschen betrieben werden kann. Gaz hat das irgendwann einmal geändert, damit nur noch die eigenen Kartuschen in das Gerät passen. Ich habe das Rezept auch auf dem normalen Herd ausprobiert, um zu sehen, ob es wirklich für den Kocher geschrieben wurde. Ja, das passt. Die Angabe mittlere Hitze geht wirklich nur für den Gaz-Kocher. Auf dem Herd ist das viel zu niedrig und die Rösti muss bei großer Hitze gebraten werden. Dazu gab es einfach einen frischen Kräutersalat.
Fazit:
"Open Air - Das Festival & Camping Kochbuch" ist ein fröhliches Kochbuch, das ganz viel gute Sommerlaune verbreitet. Wer nach Anregungen sucht, auch unterwegs genussvoll und dennoch unkompliziert zu essen, der kann hier aus dem Vollen schöpfen. Es ist ein Buch mit einem durchgängigen Konzept für diese Situationen.
Natürlich funktionieren die Rezepte auch daheim, aber damit ist der Sinn und Zweck des Buchs nicht erfüllt und könnte zu Enttäuschungen führen, da viele Rezepte Klassiker sind, die für die Outdoor-Küche bearbeitet wurden.
Das hört sich alles klasse an, da möchte man gleich die Camping-Kiste rauskramen! Ich liebe ja die entspannte Atmosphäre auf Campingplätzen, wir haben dort auch viele Jahre lang richtig gut gekocht (waren sehr oft in Frankreich unterwegs, diese Märkte animieren natürlich...) Besonders gefällt mir, dass du unter "echten" Bedingungen mit Gaskocher gekocht hat :-)
AntwortenLöschenLiebe Petra, vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich erinnere mich auch gerne an das Kochen und Essen im Freien. Deshalb hat mir das Buch gut gefallen, da ich vieles wieder erkannt habe. Es war mir wichtig, die Rezepte so auszuprobieren, wie sie gedacht waren.
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