Für mich muss eine Bar Flair und Ausstrahlung haben. Ich muss mich sofort wohlfühlen und auch optisch angesprochen werden. Das Auge trinkt schließlich mit. Glücklicherweise erlebt München aktuell ein goldenes Cocktail-Zeitalter mit gut informierten und belesenen Gästen. Dies bringt uns eine sehr gute Barkultur und viele gute Bars. Meine Lieblingsbar hier ist die Goldene Bar.
Besonders beeindrucken mich die goldfarbenen bemalten Wände, die der Bar den Namen gegeben haben. Sie ist ein Überbleibsel einer Großgastronomie aus den 30er Jahren im Haus der Kunst. Nach dem Krieg wurde die Gastronomie eingestellt. Der Raum bekam Rigipswände, die mit kitschigen Bemalungen vom Schloss Nymphenburg verziert wurden. Glücklicherweise wurde dies wieder zurück gebaut und die Original-Wandbemalung strahlt heute wie neu. Ich könnte stundenlang dort sitzen und die Getränkekarte auf der Wand studieren. Die ursprüngliche Idee war alles, was auf der Getränkekarte steht, dort abzubilden. Und so finden wir die Moselregion mit Wein, Schottland mit Whisky, Spanien mit Sherry, die Karibik mit Rum und noch vieles mehr.
Hinter dem Original Flaschenregal von 1937 an der Bar steht natürlich kein gewöhnlicher Bartender. Dort ist Klaus St. Rainer anzutreffen. Das St. steht für Stefan und hat ihm den Spitznamen "The Saint" eingebracht. Das zeigt schon die Achtung seiner Kollegen für seine Kompetenz und sein Know-How. Er ist einer der bekannteten und erfolgreichsten Bartender Deutschlands. Seine Karriere startete er beim renommierten Ernst Lechthaler als Barchef. Danach war er sieben Jahre in der bekannten Schumann's Bar tätig. Seit 2010 lenkt er die Geschicke der Goldenen Bar. Er hat viele Preise errungen, wie Bartender des Jahres bei den Mixology Bar Awards 2012 und bereits 2013 den Titel Bar des Jahres. Bei vielen internationalen Wettbewerben sitzt er in der Jury, stellt sein Wissen bei weltweiten Schulungen zur Verfügung und ist einer der Gründer des bekannten Münchner Barzirkels.
Endlich ist im Dorling Kindersley Verlag sein erstes Buch erschienen und wir können auch an der häuslichen Bar davon profitieren. Die Idee von "Cocktails: Die Kunst perfekte Drinks zu mixen" ist es, wie bei einem Kochbuch, Inspiration zu geben und sich nicht stoisch am Rezept festzuhalten. Neben der Optik eines Drinks ist vor allem der Geschmack entscheidend. Die Zielgruppe sind Hobby-Bartender und trotzdem ist es so anspruchsvoll, dass es auch für Profis interessant ist. Die im Buch enthaltenen Rezepte sind eine Momentaufnahme der Barkarte und spiegeln den Stil von Klaus St. Rainer wider. Er spricht von "nüchternen" Drinks, ohne Chi-Chi. Ich würde es als geschmacklich perfekte Cocktails mit starkem Fokus auf hochwertige Zutaten beschreiben.
Klaus St. Rainer entführt uns in die Welt der Cocktails mit einem informativen, aber doch erfreulich knapp gehaltenem Grundlagen-Kapitel. Er erläutert die unterschiedlichen Bar-Werkzeuge, die verschiedenen Gläsertypen mit von ihm angefertigten Zeichnungen, die Alkohol-Grundzutaten, Säfte, Zucker und Sirup, Eis, und die möglichen Zubereitungsmethoden.
Die Rezepte für die Cocktails sind in unterschiedlichen Kapiteln kategorisiert. Es startet mit "Einfach und Clever - Leicht zu mixende Drinks für jede Gelegenheit." Die Rezepturen dieser Drinks kommen mit wenig Zutaten aus, die meist auch im Supermarkt erhältlich sind und sie sind leicht umzusetzen. Der Fokus liegt auf einer Hausbar, die mit wenig Basis-Spiritousen auskommt.
Danach folgen die "Klassiker und Variationen - Bekannte Rezepte und kreative Twists". Hier gibt es jede Menge Klassiker, die man meint zu kennen, wie meine geliebte Kalte Ente oder der berühmte Dry Martini. Der Autor hat die Rezepte mit Pfiff variiert oder neue Cocktails entwickelt. Für die Drinks aus diesem Kapitel braucht es eine etwas erweiterte Hausbar, aber es ist daheim immer noch gut umsetzbar.
Unter "Aussergewöhnlich und Spektakulär - Drinks mit dem gewissen Etwas" gibt es einen sehr guten Einblick in den Stil und die Kreativität von Klaus St. Rainer. Bei der Zubereitung ist ein besonders großes Augenmerk auf die hochwertigen Zutaten und die sorgfältige Umsetzung zu legen. Trotzdem sind die Rezepte auch daheim machbar und man kann beispielsweise den Haus der Kunst-Cocktail mit Campari-Dust, einen Yuzu-Taketsuru oder einen Royal Hibisco Gin Fizz geniessen.
Besonders gut gefällt mir der Anhang "Grundrezepte und Alkohol-ABC - einfache Rezepte für alle Basiszutaten". Damit kann man Liköre, Bitters, Schäume, Limonaden, etc. selbst herstellen, wie es auch in der Goldenen Bar gemacht wird. Zusätzlich gibt es noch das Alkohol-ABC, Aufstellungen über Drinks nach Basis-Alkohol, Drinks nach Gelegenheit und Bezugsquellen.
Jedes Rezept ist mit einem sehr stimmungsvollen Foto von Originaldrinks, die in der Goldenen Bar gefertigt wurden, illustriert. Dies wurde während des normalen Barbetriebs erledigt und so konnten täglich zwischen 2 bis 8 Drinks fotografiert und rezeptiert werden. Klaus St. Rainer ist die Optik eines Cocktails wichtig und so sehen wir auch sehr alte Gläser, die teilweise aus der Biedermeierzeit stammen. An seiner Leidenschaft für Kunst und schöne Dinge lässt er uns teilhaben und stellt seine Lieblingsprodukte und Lieblingszutaten vor. Die Rezepte werden oft mit kleinen Tipps ergänzt. Hier gefallen mir besonders die ungekünstelten Texte und die fachliche Sprache, die trotzdem für den Laien gut verständlich ist. Beim Lesen habe ich mir oft gedacht, ich höre Klaus St. Rainer sprechen.
Für die Rezension habe ich mich von meinem Geschmack leiten lassen und einfach drei Cocktails ausgewählt, die mir beim Lesen ins Auge gesprungen sind. Wichtig war mir auch, dass ich nicht viele Zutaten zukaufen muss. Dieser Plan ist sehr gut aufgegangen. Ich habe sehr wenig Erfahrung Cocktails zu mixen und hatte keinerlei Schwierigkeiten. Die Beschreibung war so gut und genau, dass mir die Drinks mühelos gelangen sind und sehr gut geschmeckt haben.
Williams Sour
Golden Champagne
Ginger-Beer
Ich möchte "Cocktails: Die Kunst perfekte Drinks zu mixen" von Klaus St. Rainer mit einem Kochbuch eines Sternekochs vergleichen. In diesen Büchern erfährt man etwas über den Koch und seine Stilistik. Man bekommt über die Fotos Einblick in das Restaurant und die dort servierten Gerichte. Die Rezepte sind eine Dokumentation der Arbeit und des Wissens des Autors. Genauso verhält es sich mit diesem Buch, nur dreht es sich um einen Bartender, eine Bar und Cocktails. Der Hobby-Bartender wird darin viel Inspiration finden. Wer bisher noch nicht das Glück hatte eine gute Bar zu besuchen und sich einmal einen Eindruck verschaffen will, wie Cocktails der Spitzenklasse aussehen und gemacht werden, dem bietet das Buch einen sehr guten Einstieg in das Thema, da alles gut verständlich aufbereitet ist. Allerdings möchte ich gleich warnen, man bekommt große Lust so einen Drink zu probieren und wenn man das einmal getrunken hat, dann kann man sich nicht mehr in einer x-beliebigen Hotelbar einen Pina Colada bestellen. Das geht dann einfach nicht mehr :-).
Im Juli hatte ich die Gelegenheit bei einer Buch-Preview in der Goldenen Bar schon einen ersten Eindruck von dem Buch zu bekommen. Es wurden verschiedene Cocktails aus dem Buch und Fingerfood serviert.
Haus der Kunst - Gin Sour mit Gin-Tonic-Schaum und Camparistaub Oktopussalat und Forellentatar Klaus St. Rainer vor dem historischen Barschrank |
magst du mal näheres zu dem Ginger Beer aus dem isi Whip erzählen?
AntwortenLöschenLieber Jens,
Löschensorry, dass es gedauert hat - ich war ein paar Tage unterwegs.
Aber Deine Geduld soll belohnt werden. Ich sage was dazu und der Bericht kommt heute :-)
Deine Rezensionen sind wunderbar, liebe Dorothée, das muss ich stille Leserin endlich einmal loswerden. Fundiert, detailreich, differenziert, praxisbezogen, persönlich - und mit ausprobierten Rezepten. Sie heben sich von den an manch einem Blog-Ort als "Rezensionen" deklarierten Buch-Produktpräsentationen so wohltuend ab, dass ich mir hier bei Dir immer wieder Tipps abhole und Einblicke in Bücher gewinne, für die ich Kauf-Sympathien hege. Oder auf neue Bücher stoße. Vielen Dank!!!
AntwortenLöschen(Einzig über die Verlinkung zum großen Strom könnten wir verschiedener Meinung sein ;-) )
Herzliche Grüße,
Anett
Liebe Anett,
Löschenich bin ganz gerührt wegen Deinem Lob. Das freut mich ganz besonders, weil ich mir damit wirklich viel Arbeit mache. Morgen kommt eine neue Rezension, die wieder ganz anders ist. Bin gespannt, was Du sagst :-).
Ja, der Strom. Ich wohne in einer Stadt in der eine Kette alle Buchläden platt gemacht hat und jetzt geht es denen wegen dem Strom auch schlecht. Die tun mir jetzt leider nicht leid :-).
Liebe Dorothée,
Löschendurch die aktuelle FB-Diskussion komme ich mal wieder an diesem Beitrag vorbei :-)
Ich habe zum Glück einige kleine, feine Buchhandlungen in meinem Kiez, die die Kette nicht kaputt machen konnte. Dafür bin ich sehr dankbar und kaufe dort nach Herzenslust ein. Alles geht genauso fix wie beim Strom, nur ist die Atmosphäre deutlich herzlicher, familiärer, kompetenter und fröhlicher. Menschen mit Leidenschaft für Bücher, hach!
Und die besondere Leidenschaft für die Spezies Kochbuch kommt in einer Rezension, der man entnehmen kann, dass ausprobiert wurde, worauf der Autor Appetit macht, am besten zum Ausdruck. Das ist für mich der absolute Mehrwert Deiner und anderer mit diesem Anspruch ausgestatteter Rezensionen. Platte, inhaltsarme, oberflächliche Werbetexte gibt es weiß Gott mehr als genug, die brauche ich dann nicht auch noch in Blogs (gern als Lobeshymnen-Kaskade ... Hilfe!).
Viele Grüße,
Anett
Liebe Anett,
Löschenvielen Dank. Ich freue mich sehr darüber, dass Du mich in meiner Meinung bestätigst. Wenn ich einen Buchladen hätte, den ich auch noch vernünftig erreichen könnte, dann würde ich auch dort kaufen. Aber so ist der große Strom für mich einfach schwer zu umgehen.