von Viktualia:
"Souvenirs, Souvenirs... " Seit Dorothée zu ihrem Bloggeburtstagevent aufgerufen hat, hab ich nen Ohrwurm. Mitbringsel gibt es in unserem Haushalt mehr als genug. Was also auswählen? Ich hab mich für schnöden Maisgrieß/Polenta entschieden. Wie es dazu kam? Wegen meines ersten Ma(h)ls!
Es war einmal... Ich sollte die Familie meines in München studierenden italienischen Freundes kennen lernen, bzw. sie mich. Also machten wir uns per Bus auf, gen Italien zu reisen. 1977 kein wirkliches Vergnügen. Lange Fahrt mit einigen Stopps bezüglich menschlicher Bedürfnisse und zweimaliges Umsteigen (mit dazu gehörigen Wartepausen an zugigen Bushaltestellen). Müde, erschöpft und angespannt erreichten wir endlich das Ziel... und mussten nun noch bei strömendem Regen, mit Gepäck einen Kilometer zu Fuß zurück legen. Ich war erledigt, nass wia a taufte Maus und mir war übel. Vor Aufregung und vor Hunger! Auch weil ich vor Nervosität schon am Vortag keinen Bissen mehr essen konnte. G.s Familie empfing uns herzlich und laut... und nur italienisch sprechend. Mir schwirrte schnell der Kopf. Das lag natürlich keineswegs an dem Glas Rotwein, das mir, zusammen mit einem Handtuch, gegen Nässe und Kälte gereicht wurde. Ich leerte das Glas in zwei Zügen. Danach wurde mir, von G.s Mama, mein Zimmer gezeigt und gestikulierend erklärt, dass in 15 Minuten gegessen wird. Also schnell ausziehen, kurz waschen und trockene Kleidung aus der Reisetasche wühlen. Für Haarstyling war keine Zeit. Mir war der Wein wirklich zu Kopf gestiegen. Hatte ein Gesicht in der Farbe eines Feuermelders und musste mich gut am Treppengeländer festhalten um wieder ins Erdgeschoss zu gelangen. Wo war eigentlich G.? Seit unserer Ankunft hatte ich ihn nicht mehr gesichtet. Es waren aber auch so viele Personen anwesend... alles Familie und Freunde, die neugierig auf "la piccola di Baviera" waren. Und ich mit Feuermelderkopf, Unfrisur und etwas brilla. Na Glückwunsch! Genau so hatte ich mir mein erstes Zusammentreffen mit der Familie meiner ersten, ernsthaften Liebe vorgestellt. Immerhin schaffte ich es ohne stolpern nach unten.
Doch wohin jetzt? Das Haus war riesig. Ich orientierte mich an dem Stimmenwirrwarr... und gelangte ins Esszimmer. Dort hatten sich alle versammelt und begrüßten mich nochmals mit lautem Hallo. Ich wurde umarmt, gedrückt, gestreichelt und rumgereicht. Wein gab es auch schon wieder und da tauchte endlich G. auf. Ebenfalls trocken gelegt, wie ich feststellte. Das Licht im Esszimmer war eher schummrig. Es brannten nur die Wandleuchten und die Kerzen auf einem Vertigo und dem Tisch. Darüber war ich, wegen meines Feuermelderkopfes sehr froh. Wir nahmen an dem riesengroßen Holztisch Platz. Platten und Schüsseln, befüllt mit Antipasti, warteten schon. Oh je, Gemüse in reichlich Olivenöl war nun nicht unbedingt etwas für mich. Zumindest nicht auf absolut leeren Magen (abgesehen vom Rotwein... hicks) und bei schon vorhandener Übelkeit. Ich nahm nur ein paar Oliven und etwas Brot und erntete einen missbilligenden Blick von G. Erklärend raunte ich ihm zu, dass ich mich nur erst mal zurückhalte um nicht gleich als verfressen zu gelten. Alle aßen mit Genuss und unterhielten sich angeregt. Nur G.s Nonna musterte mich eindringlich. Dann stand sie auf, sagte etwas und verschwand in der Küche. Die Teller wurden geleert und abgeräumt. Ein Stapel tiefe Teller aus dem Vertigo geholt und auf den Tisch gestellt. Nonna S. erschien mit einem großen Kupferkessel. Um diesen auf den Tisch zu wuchten, bestieg sie einen bereit gestellten Schemel. Sie war nur etwas über 1,50 m groß. Der Kessel ließ mich an Asterix, Obelix und den Zaubertrank denken. Ja ja, mein weinumnebeltes Hirn! Mit einer hölzernen Schöpfkelle füllte Nonna S. nun jeweils eine stattliche Portion eines Breis aus dem Kupfernen auf die Teller. Oben drauf gab sie noch einen ordentlichen Löffel weiche Butter. Die Teller wurden weiter gereicht. Ich war nicht gerade begeistert. Glaubte ich doch den Kesselinhalt als Griaßmuas identifiziert zu haben. Süss als Hauptmahlzeit ist nicht gerade mein Favorit. Ich hatte so sehr auf Pasta gehofft. Und was waren denn das für seltsame Breckle in dem Brei?
Jemand füllte mein Weinglas erneut. Ich musste dringend etwas essen. Zudem wäre es ein Affront den Teller unberührt zu lassen. Den Anderen schien es zu schmecken. Also griff ich zum Löffel und tauchte ihn behutsam in den Brei. Zögernd führte ich ihn zum Mund. Der Moment, als der vermeintlich süße Grießbrei meine Lippen passierte und auf meine Zunge und meinen Gaumen traf... HIMMLISCH! Diese Cremigkeit, dieser Geschmack, diese Würzigkeit! Ich war im Polentaparadies gelandet. Ich schloss die Augen. Hmmmmm! Nonna S. lächelte und zwinkerte mir zu. Während ich aß, schielte ich immer zu dem Kupferkessel. Leider konnte ich, ohne aufzustehen, nicht sehen, ob er noch Polenta enthielt. Kaum hatte ich meinen Teller geleert, füllte Nonna S. ungefragt nach und sagte: "Mangiare, Viki, mangiare!" Dem kam ich nur zu gern nach. G. gab mir nen kleinen Rempler und meinte lachend: "Das könnte man jetzt aber durchaus verfressen nennen!" Es kümmerte mich keinen Deut. Dazu war die Polenta mit Königspilzen (die seltsamen Breckles) einfach viel zu gschmackig.
Als wir abreisten, hatte ich ein Päckchen Polenta und Nonnas Rezept im Gepäck. Wir waren noch öfter bei G.s Familie zu Besuch. Immer stand ich dann mit seiner Nonna am Herd. Viel hab ich von ihr gelernt. Dafür und für ihre Zuneigung bin ich dankbar. Die Liebe zu G. hielt nicht ewig. Die zu Nonna S. auch über ihren Tod hinaus... nicht nur wegen der Polenta.
Obwohl es in meiner Geschichte um Polenta als Gericht geht, bereite ich für Dorothée etwas Anderes aus Maisgrieß zu. Dazu begebe ich mich nun nach Österreich. Dort essen Bauern und Landarbeiter auch heute noch den Sterz zum Frühstück. Das kommt mir sehr gelegen. Ich habe mein Büro im Austrag eines Bauernhofs. Mit der Bauersfamilie bin ich seit meiner Kindheit befreundet. Sie sind wie Familie für meinen Mann und mich. Wir leben, lachen, kochen und essen zusammen. Nach der morgendlichen Stallarbeit gibt es immer ein kräftiges Frühstück... Röschtkartoffel, Häberersmuas, Stopfer und eben auch mal Sterz.
Ein Sterz ist ein einfaches Gericht aus einer Mehl-, oder Getreideart, mit Wasser zubereitet, gesalzen, mit einer Gabel zerrissen und mit Schmalz/Butter und Grieben/Grammeln versehen. Die süsse Variante lass ich mal unberücksichtigt. Der Sterze gibt es mehrere, z.B. Heidensterz aus Buchweizenmehl, Brennsterz aus Roggenmehl, weißer Sterz oder Weizensterz aus Weizengrieß, Erdäpfelsterz aus Kartoffeln plus Mehl, Bohnensterz aus Bohnen plus Mehl und Türkensterz aus Maisgrieß/Polenta. Der Name kommt von der in Österreich auch verwendeten Bezeichnung für den Maisgrieß/Polenta... Türkenweizen. Und mit dem folgenden Rezept beteilige ich mich an Dorothées Bloggeburtstagevent.
Anmerkung 1: Leider kann ich keinen Urheber des Rezeptes angeben. Es wurde mir vor vielen Jahren einmal in der Steiermark mündlich übermittelt.
Anmerkung 2: Aufgrund der Fastenzeit habe ich diesmal keine Grieben verwendet.
Steirischer Türkensterz mit Milchkaffee |
Türkensterz, steirisch
Zutaten für 4 Personen (hungrige)
400 g Polenta/Maisgrieß
800 ml Wasser (bei grober Polenta evtl etwas mehr)(man kann auch Gemüse- oder Fleischbrühe verwenden, dann aber das Salz weglassen)
1 TL Salz
50 g Butter oder Schweineschmalz (ich nehme auch mal Gänse- oder Entenschmalz)
4 EL Grieben/Grammeln
Zubereitung:
Wasser in einer tiefen Pfanne oder größeren Kasserolle zum Kochen bringen, Salz zugeben und unter Rühren Polenta einlaufen lassen. Rühren bis die Flüssigkeit aufgenommen ist. Bei geringer Hitze 10 Minuten quellen lassen. Herd ausschalten und mit Deckel weitere 10 Minuten stehen lassen. Butter/Schmalz schmelzen, über den Sterz gießen und mit einer Fleischgabel tüchtig zerreissen/zerbröseln. Anschließend mit Grieben bestreut zu Tisch bringen. Den Türkensterz isst man mit Milchkaffee oder heisser Milch zum Frühstück.
Der Türkensterz eignet sich mit Salat auch als Hauptgericht und zu Schmorgerichten passt er, wegen seiner "Soßensüffigkeit" ebenfalls gut.
Liebe Viktualia, vielen Dank für Deine schöne Erinnerung und das traditionelle Rezept.
Danke für die "Haltbarmachung" meines Event-Beitrags, liebe Dorothée! So kann ich das meinen Mann auch lesen lassen, wenn er einmal die Muse dazu hat.:)
AntwortenLöschenDas habe ich gerne gemacht, weil die schöne Geschichte doch nicht im stillen Kämmerchen bleiben soll :-)
LöschenIch hab's ja neulich schon auf Facebook geschrieben, aber hier unbedingt noch mal: Eine wunderschöne Geschichte, Wichtualia-Viktualia, und so liebevoll erzählt. Danke fürs Teilen!
AntwortenLöschenGerne, Barbara - es freut mich, dass Du es genauso siehst.
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