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Mittwoch, 23. September 2015

Besuch bei Spiegelau im Bayerischen Wald Glasskunst trifft Braukunst

Vor ein paar Wochen ging es für mich nach Neustadt an der Waldnaab in den Bayerischen Wald. Auf Einladung des Glasherstellers Spiegelau durfte ich an einer Glasschulung für Bierexperten teilnehmen. Als Bierexperte würde ich mich jetzt nicht bezeichnen, aber ich bin immer wieder positiv überrascht von der Craftbeer-Szene und an Gläsern habe ich viel Freude.

Am ersten Abend ging es gleich in die Zoiglstub'n zum Mundl in Störnstein. Da sollte es Zoiglbier geben und dieser Begriff war mir vorher völlig unbekannt. Der Zoigl ist ein untergäriges Bier, bei dem die Maische aus Gerstenmalz und Wasser in der offenen Sudpfanne über dem Holzfeuer gekocht wird. Danach kommt eine zweite Runde, bei der die Maische "gehopft", also mit Hopfen gemischt und erneut erhitzt wird. Der Sud kommt dann in große Sudkessel zum Gären und nach zehn Tagen wird er in Fässer gefüllt. Nach einigen Wochen ist die Reifezeit vorbei und das frische Bier kann ausgeschenkt werden. Damit jeder davon erfährt, hängt man einen Stern als Zeichen an das Haus. Daraus wurde der Begriff Zoigl und der traditionelle Brauch der Oberpfalz hat es bis heute geschafft, gelebt zu werden. Zum Zoigl-Bier gibt es eine Brotzeit. Wir bekamen an dem Abend Wiener, Käsekrainer und Debreciner auf Kraut. Na gut, die anderen bekamen es und ich ohne Kraut :-).



Dann ging es an die Vorstellungsrunde. Und wie stellt man sich in so einer Runde am besten vor? Natürlich mit einem mitgebrachten Bier. Es war eine lustige Runde aus Brauern, Gastronomen und Fachjournalisten. Es gab jede Menge Biere aus Deutschland und Österreich zu entdecken und da waren viele dabei, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Mich hat die Unterschiedlichkeit sehr fasziniert und es waren einige dabei, die mir sehr gut geschmeckt haben. Das war wieder ein Signal für mich, dass ich mich mit der Craftbeer-Szene intensiver beschäftigen sollte.


Am nächsten Tag stand die Werksbesichtigung in Weiden auf dem Programm. Als erstes durften wir in die Glasmalerei. Zwei aufgeschlossene Damen zeigten uns, wie sie mit winzigen Schwämmen, die in einen Halter geklemmt sind, Gläser bemalen. Danach werden die Gläser gebrannt und die Farbe ist fixiert. Auf dem Foto sind Eistee-Gläser für den amerikanischen Markt zu sehen. Sie werden mit einem Platinrand veredelt.


Vom Gläser-Finish in der Malerei wechselten wir in die Formen-Werkstatt. Hier werden für alle Arten von Gläsern, egal ob Trinkgläser, Schüsseln, Glasfiguren oder Teller die Formen gewartet und aufbewahrt. Diese Formen werden für Pressgläser genauso benötigt, wie für maschinen-geblasene Gläser.


Unser Weg führte uns durch eine große Halle, in der alle Glaswaren manuell kontrolliert werden, ob sie in Ordnung sind. Die schlechten werden gesammelt, eingeschmolzen und wieder als Rohstoff verwendet. Die guten werden auf Paletten verpackt.


Im Bild oben links ist schön zu sehen, wie die Formen für eine gepresste Salatschüssel aussehen. Daneben steht eine fertige Schüssel. So langsam wurde es immer wärmer und immer lauter. Wir näherten uns dem Herzstück der Fabrik. Eine riesige Anlage, über die geschmolzenes Glas in Formen gepresst oder geblasen wird. Diese Anlage muss sieben Tage die Woche rund um die Uhr betrieben werden, da sonst das geschmolzene Glas nicht verarbeitet werden kann. Die Schmelze aufzuheizen bzw. abzukühlen dauert so lange, dass eine Unterbrechung nicht sinnvoll ist.

Bei unserem Besuch wurden gerade zwei verschiedene Glasschüsseln und ein Rotweinglas gepresst, sowie ein Sekt- und ein Weinglas geblasen. Die Anlage besteht sozusagen aus mehreren Stationen, wo der Prozess der Glasfertigung im Kreis stattfindet. An jeder Stelle der Anlage kann gepresst und geblasen werden, es kommt nur darauf an, welches Werkzeug eingesetzt wird.


Bei den geblasenen Gläsern wird zuerst der Glaskörper hergestellt und dann mit dem gezogenen Stiel verschmolzen. Damit das Glas sicher durch die Maschine geführt werden kann, hat es einen Halter. Dieser wird danach automatisch entfernt und der Glasrand glatt geschliffen. Auch das passiert mit Feuer. Die fertigen Gläser kühlen etwas ab und laufen dann über ein Band, wo ein Roboter einen kleinen Aufkleber anbringt, den wir dann wieder mühsam abfuzzeln dürfen.


Die fertigen Stück werden alle von Hand kontrolliert und auf große Paletten gepackt. Die fertigen Paletten kommen dann in das Lager. Dort arbeitet kein Mensch. Zwei Roboter sorgen dafür, dass alles auf den richtigen Platz kommt. Das Lager befindet sich in einem Turm und das meterhohe Regal ist sehr beeindruckend. Es ist mir leider nicht gelungen, es im Ganzen auf ein Foto zu bringen.


Nach dem beeindruckenden Rundgang durch das Werk durften wir im Showroom die fertigen Gläser bestaunen. Die Marken Spiegelau und Nachtmann gehören zum Riedel-Konzern. Im bayerischen Wald werden Gläser für alle drei Marken gefertigt. In unserem Fokus sollten heute die Biergläser von Spiegelau stehen.


Bis vor einigen Jahren hat Spiegelau auch noch die üblichen Biergläser, wie den Willybecher, die in jedem Wirtshaus zu finden sind, gefertigt. Der Spagat zwischen der Massenproduktion einfacher Gläser und den Ansprüchen bei der Produktion von hochwertigen Gläsern wurde irgendwann zu groß. So entschloss man sich, die einfachen Biergläser aufzugeben und entwickelte lieber feine Biergläser, speziell auf den Biertyp zugeschnitten.

Die positiven Erfahrungen, die Riedel bei der Entwicklung neuer Weingläser gemacht hatte, wollte man gerne auf den Bierbereich übertragen. Seit Jahren bereits veranstaltet Georg Riedel Workshops mit Winzern, bei denen er neue Glasformen mitbringt und dann werden die Weine darauf verkostet. Das Prinzip ist so einfach, wie genial. Es gilt nicht herauszufinden, aus welchem Glas der Wein am besten schmeckt. Es werden nur Gläser aussortiert, aus denen der Wein nicht schmeckt und das geht über mehrere Runden. So bleibt am Schluss automatisch der "strahlende Sieger" übrig.

Dieses Prinzip wollte Spiegelau gerne übernehmen und suchte im deutschsprachigen Raum nach Kooperationspartnern unter den Brauereien. Leider gelang das nicht und man wurde nur in Amerika fündig. Das liegt an einem ganz einfachen Grund. Bei uns wird die Gastronomie von den Brauereien mit Gläsern ausgestattet. Dafür bezahlen sie höchstens einen symbolischen Preis, der nicht erwähnenswert ist. In Amerika verkaufen die Brauereien die Gläser zu einem realistischen Preis. Da Spiegelau Vorarbeiten und Investitionen bei der Entwicklung neuer Glasformen leistet, gehört zur Workshop-Kooperation auch die feste Abnahme einer Mindestmenge an Gläsern.



Wie alle Glaswaren von Spiegelau werden auch die Biergläser aus einem sehr feinen Quarz-Sand aus der Region gefertigt. Der Sand wird sorgfältig gereinigt und enthält nur wenig Metalle. Dies sorgt nicht nur für ein schönes klares Glas, sondern auch für fabelhaftes Verhalten in der Spülmaschine. Die häßlichen Verfärbungen und der Glasbrand kommen nicht mehr vor.

Nun wurde es Zeit für einen ausführlichen Praxistest. Wir verkosteten drei völlig unterschiedliche Biertypen sowohl im dafür entwickelten Glas, als auch in einem herkömmlichen, ganz einfachen Glas. Das letzte Bier probierten wir sogar in drei verschiedenen Gläsern. Mir war das Ergebnis vorher schon klar, da ich sehr gerne ein Getränk in verschiedenen Gläsern ausprobiere. Wir machen das öfters mit Wein und sogar bei Schnaps kann man interessante Erfahrungen machen, wenn man ihn in einem kleinen Cognac-Schwenker und in einem Grappaglas parallel probiert. Trotzdem war ich verblüfft, wie gravierend der Unterschied war. In dem einfachen Glas rochen die Biere fast gar nicht und schmeckten zu bitter oder zu säuerlich. Die schönen und vielfältigen Aromen blieben fast ganz auf der Strecke.

Was für ein Genuss war es dagegen, aus dem "richtigen" Glas zu trinken. Bereits beim Riechen konnten einzelne Aromen deutlich erkannt werden. Beim Trinken zeigte sich, dass die Kohlensäure schön eingebunden war und so die ganze Aromatik des Biers in den Vordergrund treten konnte. Was ich am allerwenigsten erwartet hatte, das Bier blieb deutlich länger kühl. Dies liegt an dem dünneren Glas und so muss das Bier weniger Kälte an das Material abgeben.

Der letzte Test zeigte, dass es nicht genügt irgend eines dieser Gläser zu verwenden, es muss schon das richtige sein. Geschmack und Cremigkeit des Schaums waren im Stout-Glas deutlich besser, als im IPA-Glas. Die Nummer eins unseres Tests, das American Wheat-Glas eignet sich am besten für hefe-betonte Biere. Das Indian-Pale-Ale, IPA-Glas, passt am besten für hopfen-betonte Biere. Und malz-betonte Biere sollte man aus einem Stout-Glas geniessen.

Für alle drei Glastypen gilt, und das ist die wirklich schockierende Botschaft, es wird nicht mehr bis unter den Glasrand eingeschenkt. Die Aromen entfalten sich viel besser, wenn auch noch Platz für Luft ist. Was auf der Wies'n verpönt ist, ist hier genau richtig. Dafür sind die Gläser etwas größer, sodass der Inhalt handelsüblicher Flaschen, mit der zusätzlichen Luft, Platz hat. 

An dieser Stelle muss ich leider erwähnen, dass man uns erst mit Bier gefügig gemacht und dann in den Werksverkauf geschickt hat. Ich kann also gar nichts dafür, dass jetzt neben dem IPA-Glas, auch noch das sogenannte "Kompromiss"-Glas bei mir daheim steht. Das ist eine Biertulpe, die im Zweifelsfall immer viel besser ist, als ein dickwandiges Bierglas.


Zum Abschluss des Tags trafen wir uns wieder beim Zoigl. Diesmal ging es direkt in Neustadt in die Zoiglwirtschaft "Zum Waldhauser". Ich hatte es ja kaum für möglich gehalten, aber man bekommt so gegen 17.30 Uhr dort wirklich keinen Platz. Aber, das ist der Brauch. Es gibt keine Reservierungen und in den kleinen Stuben in einem denkmalgeschützten Haus ist wenig Platz. Das tut der Geselligkeit keinen Abbruch. So warten man ein bisserl und wenn dann ein paar Plätze frei werden, setzt man sich dazu und rutscht auf. So werden aus acht Plätzen leicht auch einmal zwölf.

Zum essen gibt es Brotzeit und eine täglich wechselnde Mahlzeit. Die steht immer auf dem bunten post-it oben auf der Karte. Eine köstliche Spezialität ist das überbackene Obatzn-Brot und hinterher darf es auch noch ein Juliana, ein Kartoffelschnaps nach altem Rezept, sein.


Für mich hat sich wieder einmal bewahrheitet, dass das Gute sehr nahe liegt und es im Bayerischen Wald noch viel zu entdecken gibt. Neben sehr hochwertigen Gläsern, die mit viel Aufwand und Liebe zum Detail in Deutschland gefertigt werden, auch noch gelebte Tradition und kulinarische Genüsse. Vielen Dank an Spiegelau für die schöne Einladung, an Sandra und Verena für die tolle Organisation und an alle Teilnehmer für die tollen Biere und die schöne Zeit.

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