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Dienstag, 22. September 2015

Cachaça, die Spirituose,
die viel mehr zu bieten hat, als Caipirinha

Der Münchner Barzirkel nimmt im Moment so richtig Fahrt auf und ich hatte die Gelegenheit, einen Cachaça-Workshop in der Bar Theresa zu besuchen. Klar, Cachaça kennt jeder von uns. Limetten mit Zucker zerstossen, einen Berg Crash-Ice dazu und Cachaça zugeben. Fertig ist Caipirinha, der Schwester-Cocktail von Pina Colada.

Mehr Ahnung hatte ich nicht, als mich die Einladung von Oliver von Carnap erreicht hat. Aber, ich war sehr neugierig und wollte gerne etwas dazu lernen. Das klingt immer etwas seltsam, wenn man im Zusammenhang mit starkem Alkohol von "dazulernen" spricht, aber der Münchner Barzirkel hat sich zur Aufgabe gemacht, das Fachwissen der Münchner Barszene zu stärken. Deshalb sind diese Veranstaltungen in erster Linie fachlich anspruchsvolle Vorträge mit "praktischer Übung".

Oliver konnte für dieses Thema Dietrich Flath von cachaca-online gewinnen. Nach seinem Studium entschied er sich für einen Auslandsaufenthalt in Brasilien und entdeckte dort seine Liebe zu Cachaça. Heute ist er der wichtigste Importeur für diese Spirituose in Deutschland. Er gilt als profunder Kenner der Szene und spricht fließend die Landessprache, das brasilianische Portugiesisch.

Seine Fachkompetenz hat mich von der ersten Sekunde an in den Bann gezogen.


Etwas verschämt in der Ecke der Collage steht die Flasche Pitu, die uns auch nur kurz gezeigt wurde. Im Normalfall verstehen wir das unter Cachaça und mehr wusste ich vorher auch nicht. In Brasilien gilt er als sehr einfache Qualität und ist nur in den untersten Regalreihen im Handel zu finden.

1972 hat Riemerschmid den Pitu in Deutschland eingeführt. Sie haben sich für die richtige Strategie entschieden, auch noch einen Cocktail zu placieren. So begann der Siegeszug des Caipirinha bei uns. Als Ausgleich zur Limettensäure ist Zucker notwendig, man suchte nach dem günstigsten und fand den braunen Zucker. Das ist der Grund, weshalb in Deutschland Caipirinha bis heute mit braunem Zucker gemacht wird. In Brasilien würde das niemand tun und ich habe mich an den Besuch eines brasilianischen Freunds während der Fußball-WM in Deutschland erinnert. Zu jedem Spiel der deutschen Mannschaft haben wir ein Grillfest gemacht und er war für die Drinks zuständig. Über den Pitu hat er noch höflich hinweg gesehen, beim Zucker hat er dann gestreikt und sich großzügig aus der Zuckerdose für den Kaffee bedient.

Heute wird Pitu hochprozentig in Deutschland eingeführt und mit Wasser auf die erforderliche Trinkstärke gebracht. Das ist im Sinne einer Reduzierung der Transportkosten vernünftig, entspricht aber nicht dem brasilianischen Gesetz. Deshalb steht auf den Pitu-Etiketten nicht mehr Cachaça.



Wie sieht jetzt der "richtige" Caipirinha aus? Wenn man den Namen übersetzt, bedeutet es "die Bäuerin aus dem Hinterland" und dort wurde der Drink als Medizin gegen die Grippe erfunden. Deshalb waren anfangs wohl auch Knoblauchzehen eine der Zutaten und wurden später gegen Eiswürfel ersetzt. Eiswürfel und nicht Crushed Ice, denn dies verwässert den Drink viel zu stark. Der Caipirinha besteht aus so wenigen Zutaten, dass auf die beste Qualität geachtet werden muss. Guter Cachaça, weißer Zucker, Eiswürfel und Limetten, bei denen darauf zu achten ist möglichst viel von dem bitteren Albedo zu entfernen und den Mittelstrang wegzuschneiden.

Während Dietrichs interessanten Erläuterungen, hat Oliver uns einen Cachaça Lemon mit Bitterlemon und einen Caipirinha mit Knoblauch probieren lassen. Ersterer hat mir besser geschmeckt, aber auch die kleine Knoblauchnote hatte ihren Reiz.

Bei der Veranstaltung konnte ich auch Valdemar kennen lernen, einen Brasilianer, der in München die Bar VER.O.PESO betreibt. Dort gibt es einen Caipirinha, wie er in Brasilien getrunken wird. Ein Besuch bei ihm wanderte gleich auf meine to-do-list.



Cachaça hat eine lange Tradition in Brasilien und wird seit knapp 500 Jahren gebrannt. Aktuell gibt es 30.000 bis 40.000 Brennereien im Land.

Seit drei Jahren ist er als eigene Spirituosen-Kategorie anerkannt und muss nicht mehr brasilianischer Rum genannt werden. Allerdings sind damit ein paar Voraussetzungen verknüpft. Er darf nur in Brasilien aus frischem Zuckerrohrsaft gebrannt werden. Sein Alkoholgehalt muss zwischen 38 % und 48 % liegen und er darf maximal 2 % Zucker enthalten.

Das Zuckerrohr wird nur reif geerntet, weil dann der natürliche Zuckergehalt am höchsten ist.
In Brasilien gibt es die beeindruckende Vielfalt von 600 Sorten Zuckerrohr. Sie sorgen für unterschiedlichen Geschmack, verhalten sich aber auch bei der Gärung unterschiedlich. Es gibt Zuckerrohr, das die Gärung fördert, während andere sich nur schwer vergären lassen. Die Kunst des Brennmeisters besteht darin, die richtige Mischung aus Geschmack und Gärfähigkeit zu finden.

Die Gärung ist eine Herausforderung in einem heißen Land, wie Brasilien. Sie funktioniert nur bei einer maximalen Außentemperatur von 30 Grad. Deshalb werden die Gärbottiche mit Wasser gekühlt. Die Maische wird immer in Kupferbrennblasen destilliert und grundsätzlich jung abgefüllt oder in Fässern gereift. Cachaça hat immer eine natürliche Farbe und wird nicht mit Zuckercouleur gefärbt. Ein guter Cachaça sollte mindestens drei Monate gelagert werden. Für die Lagerung werden alte Whiskeyfässer, Eichenfässer, aber auch Fässer aus den 27 heimischen Holzsorten gelagert. Gerade diese Hölzer finde ich sehr interessant. Gerne verwendet wird Amburana, das dem Cachaça einen Zimtgeschmack verleiht. Das hat Oliver gleich bei seinem nächsten Cocktail aufgegriffen und servierte Herzkirsche mit Cachaça von Seleta und einem Rosmarin-Espuma. Als "Kirschenmädchen" war dieser Drink natürlich ein Highlight für mich und hat mir ausgezeichnet geschmeckt.

Bei dem großen Angebot in Brasilien, empfiehlt es sich manchmal einen einfachen Qualitätstest durchzuführen. Dietrich hat uns gezeigt wie das geht. Man gibt etwas Cachaça in die Handinnenflächen und verreibt es. Dann die Hände vor Nase und Augen halten. Wenn die Augen tränen und man einen scharfen, stechenden Geruch erkennt, sollte man vielleicht doch lieber nur die Fenster damit putzen. Die Hand sollte danach trocken sein und nicht kleben. Das ist ein Zeichen, dass der Cachaça nicht stark gesüßt ist. Er sollte leicht flüchtig sein.



Während des Workshops konnten wir verschiedene Cachaça verkosten. Ich war überrascht von der Vielfalt der unterschiedlichen Aromen und vom feinen Geschmack.

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