Freitag, 4. November 2016

Rezension: Geschmacksgeheimnisse
von Alexander Herrmann

Hinter dem Spruch "Geschmack kommt von Kochen und nicht von Würzen" stehe ich voll und trotzdem ist es sehr schwer für mich, genau das in Hobbykoch-Kreisen zu vermitteln. Es fällt mir auf, dass das bereits überbordende Angebot an Gewürzmischungen, aromatisierten Salzen, Ölen, Essigen, Tinkturen, Sonstigem...... weiter sprunghaft ansteigt und begeistert gekauft wird. Im Alltag komme ich mit ein paar ganz klassischen Gewürzen aus. Gewürzmischungen gebrauche ich kaum und verschenke sie meist gleich weiter. Aromatisierte Salze nehme ich (je nachdem) zum Nudelkochen oder zum Kartoffeldämpfen. Wichtiger ist mir Sorgfalt beim Kochen und zu Wissen, wie man die unterschiedlichen Zutaten behandelt, um einen guten Geschmack auf den Teller zu bekommen. Seit 30 Jahren beschäftige ich mich damit und lerne jeden Tag dazu. Ich habe viele Kochkurse gemacht, bei soliden Küchenmeistern, bei Sterneköchen, bei prominenten Köchen. Ich habe in unzähligen Restaurants gegessen und nachgefragt, wenn mir etwas besonders gut gefallen hat. Ich setze mich intensiv mit meiner großen Kochbuchsammlung auseinander. Ich koche viel, im Alltag, für Gäste, für Kollegen, auf Events. Im Laufe der Jahre habe ich mir viele Methoden und kleine Kniffe angewohnt und freue mich über jede Kleinigkeit, die ich mir noch zu eigen machen kann. Deshalb ist mein Interesse an Kochbüchern von Spitzenköchen besonders groß, die darin Grundkenntnisse der gehobenen Küche präsentieren, ohne abgehoben zu sein. Als Zielgruppe sehe ich dafür immer Hobbyköche, auch Anfänger mit wenig praktischer Übung. In diese Kategorie fällt das neueste Kochbuch "Geschmacksgeheimnisse" von Alexander Herrmann.


Alexander Herrmann wuchs im fränkischen Hotel seiner Eltern auf. Ein tragischer Autounfall machte ihn im Alter von 9 Jahren zur Vollwaise. Onkel und Tante zogen ihn auf und übernahmen auch die Leitung des Romantik Posthotel Wirsbach. Nach dem Besuch der Hotelfachschule Bavaria in Altötting, begann er seine Kochausbildung bei Stefan Rottner in Nürnberg. Danach folgten die "Lehr- und Wanderjahre", die für eine Karriere als Spitzenkoch unabdingbar sind. Zu seinen Stationen gehörten die Schweizer Stuben bei Fritz Schillung und das La Vigna, wo sein Küchenchef Stefan Marquard war, mit dem er heute noch befreundet ist. Nach einem Jahr in Belgien, stand er mit Karl Ederer im Restaurant Glockenbach in München am Herd. Leider gibt es das schon sehr lange nicht mehr, aber es war viele Jahre mein Lieblingsrestaurant. 1995 legte er die Prüfung zum Küchenmeister ab, für die er den Meisterpreis der bayerischen Staatsregierung erhielt. Seit 1996 ist er im eigenen Familienbetrieb in Wirsberg tätig. Er übernahm den Posten des Küchenchefs im "Herrmanns Restaurant" und formte es im Laufe der Jahre zum "Restaurant Alexander Herrmann". 1997 wurde er in den Kreis der Jeunes Restaurateurs aufgenommen, deren Präsident er von 2007 bis 2010 war. 2008 verlieh ihm der Guide Michelin den ersten Stern, den er seitdem hält. Alexander Herrmann und seine Frau Eva, die die Restaurantleitung verantwortet, haben zwei Kinder.

Neben Hotel und Gourmetrestaurant btreibt er in Wirsberg auch noch eine Kochschule. Einem breiten Publikum wurde er durch zahllose TV-Auftritte bekannt. Es begann mit "Kochduell". "Kerner bzw. Lanz kocht", "Küchenschlacht", "Topfgeldjäger" und Auftritte im Bayerischen Fernsehen folgten. Aktuell ist er bei "The Taste", "Kitchen Impossible" und "Kampf der Köche" zu sehen.

Zum Auftakt gibt es etwas Lesestoff über Umami, Dashi und die Kunst des Anrichtens. Letzeres ist ein Thema, bei dem ich immer versuche besser zu werden. Andererseits bin ich zu ungeduldig lange Erklärungen zu lesen. Die komprimierte Darstellung mit Praxisbeispielen ist ideal für mich. Über 150 Rezepte werden in den Kapiteln Salate, Gemüse, Fisch, Geflügel, Fleisch, Besonders wertvoll und Schokolade vorgestellt.

Die Kapitel sind eine Mischung aus reiner Rezeptsammlung und Grundlagen-Vermittlung. Leider sind diese Grundlagen manchmal am Anfang eines Kapitels und manchmal zwischendrin. Das macht es schwierig sich zu orientieren, wozu und wo es diese Art der Kochschule gibt. Meine Empfehlung an die Kochbuchbesitzer wäre, diese Basisrezepte gezielt zu suchen, da sie sehr gut gemacht sind. Alles ist gut beschrieben und mit "Schritt-für-Schritt-Fotos" gut illustriert. Hilfreich wäre auch ein eigenes Inhaltsverzeichnis dafür zu haben. Fehlt leider.

Die Rezepte sind übersichtlich und präzise. Jedes Rezept hat eine Angabe für welche Anzahl der Gäste es gedacht ist und wie lange die Zubereitungszeit ist. Ansonsten, die übliche Zutatenliste und die Zubereitungsbeschreibung. Gut gefällt mir, dass bei den Rezepten sorgfältig auf die kleinen Kniffe bei der Zubereitung geachtet wurde, um den guten Geschmack zu erreichen.

Die Zutaten sind in Supermärkten gut zu bekommen. Bei Fisch und Fleisch empfiehlt sich manchmal der Besuch eines der gut sortierten Häuser oder eines Marktes. Zum Nachkochen reicht eine normale Küchenausstattung eines Hobbykochs. Auf Profi-Equipment kann getrost verzichtet werden. Die Rezepte sind bebildert. Meist ist das Rezeptfoto auf der gegenüber liegenden Seite. Ansonsten werden auch zwei oder drei Gerichte auf einer Doppelseite abgebildet und die entsprechenden Rezepten folgen auf den nächsten Seiten.

Im Anhang sind Rezepttitel, einzelne Rezeptkomponenten und Zutaten in einem alphabetischen Register zusammengefasst. Das ist sehr gut gemacht und hilft, wenn man auf der Suche nach einem Rezept für eine Zutat ist.

 "Geschmacksgeheimnisse" ist ein "Komponenten-Kochbuch". Was bedeutet das? Die einzelnen Rezepte stellen keine fertigen Gerichte da, sondern sollen anregen daraus ein Gericht zusammenzustellen. Das ist in meinen Augen genau die richtige Vorgehensweise. Fisch und Fleisch sind meistens das ganze Jahr zu bekommen. Beim Gemüse als Beilage sieht das schon anders aus. Jetzt kann man je nach Saison entscheiden. Und, man kann Zutaten, die man besonders gerne isst immer wieder neu kombinieren. Meiner Meinung fördert dies die eigene Kreativität.

Was habe ich ausprobiert? Ich wollte unbedingt einen der abgeflämmten Fische machen, denn dies ist für mich ein "typischer Alexander Herrmann". Diese Technik habe ich vor mindestens 10 Jahren in einem Kochkurs von Jörg Hailer, seinem ehemaligen stv. Küchenchef, kennen gelernt. Seitdem ist das aus meiner Küche nicht mehr wegzudenken, vor allem nicht im Sommer. Dazu habe ich einen Kartoffelstampf gemacht, weil ich sehr gerne Kartoffeln esse und die schon länger nicht mehr gemacht habe. Im Kochbuch ist ein Kartoffel-Rosmarin-Stampf beschrieben. Auf die frittierten Rosmarinnadeln habe ich verzichtet, da ich bereits die knusprigen Brösel vom Fisch hatte. Stattdessen gab es ein kleines Topping aus gehacktem Dill. Meine Liebe zu Kartoffeln und Dill habe ich auf einer Polenreise entdeckt und der Dill war auch in den Gewürzbröseln. Also sollte das passen. Wenn ich das Foto heute so betrachte, hätte ich noch eine geschmorte und geschälte Tomate dazu machen können. Das wäre farblich attraktiver gewesen und auch die Säure hätte gut zum Gericht gepasst. Ansonst war ich sehr zufrieden. Es war einfach zu kochen, ging schnell und hat meinen Gästen und mir gut geschmeckt. Ein kleines Minus gibt es, da die Menge für die Brösel überdimensioniert war. Hier bin ich immer sehr kritisch und habe nur ein Viertel gemacht und auch das war noch sehr reichlich.


Geflämmter Heilbutt mit
Kartoffel-(Rosmarin)-Stampf

bei mir gab es Dill statt Rosmarin

Fazit:
 "Geschmacksgeheimnisse" von Alexander Herrmann ist ein sehr gutes Kochbuch für Hobbyköche mit mehr und weniger Erfahrung geeignet. Trotz ein paar Kleinigkeiten, die mir nicht so gut gefallen, ist es ein Kandidat für die Kochbücher, die einen bleibenden Wert haben werden. Darüber gibt es einen schönen Artikel von Katharina Höhnk in der Süddeutschen Zeitung.

In meinem Bücherschrank wird es nicht verstauben. Das werde ich immer wieder herausziehen, wenn ich Lust auf eine Zutat habe und mich von einem passenden Rezept inspirieren lassen möchte. Mir gefällt es sehr gut, dass es bewährte Rezepte von Alexander Herrmann sind, die nun endlich den passenden Rahmen bekommen habe. Die Tomate habe ich mit einem kleinen Augenzwinkern erwähnt. Sie lässt sich immer wieder bei ihm entdecken und hat auch ihre Berechtigung.

 "Geschmacksgeheimnisse" ist, meiner Meinung nach, bisher das beste Kochbuch von Alexander Herrmann. Rund 15 Stück sind bisher erschienen. Bei mir daheim stehen 9 davon im Bücherschrank. Bereits beim Durchblättern habe ich seine Handschrift und "gute Bekannte" entdeckt. Exemplarisch sei die Praline im Glas von Seite 225 genannt. Eine Variante der Ganache-Masse findet sich auch bei "Koch doch 2" auf Seite 116 und eine weitere Variation bei "Küchen IQ 2 - Menüs" auf Seite 212.




AH IQ 1 - Basics
AH IQ 2 - Menü
AH IQ 3 - Anlass
Koch doch
Koch doch 2
Koch doch 3

eine Auswahl aller drei Bücher ist auch unter
"Meine Lieblingsrezepte" erschienen

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