Mein Mann und ich haben das große Glück, dass wir Paula Bosch noch an ihrer wichtigsten Wirkungsstätte, dem legendären Restaurant Tantris in München, erleben durften. Das Tantris gehört zu den wegweisenden Restaurants, die maßgeblich die Entwicklung der Spitzengastronomie in Deutschland gestaltet haben. Bisher standen dort nur drei Köche an der Spitze der Küche und alle drei Namen haben einen großen Klang: Eckard Witzigmann, Heinz Winkler und Hans Haas. Ähnlich verhält es sich mit den Sommeliers, auch wenn diese Position erst seit kurzem näher in den Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit gerückt ist. Paula Bosch gehört zu diesen großen Namen, genauso wie Rakhshan Zhouleh und ihr Nachfolger Justin Leone. In Zusammenarbeit mit Eckard Witzigmann und Tim Raue erschienen bereits ein paar Bücher von ihr. Jetzt gibt sie mit "Wein genießen" ihr gesammeltes Wissen und ihre Empfehlungen weiter.
Paula Bosch ist ein Phänomen, diese Aussage kann man verstehen, wenn man in die Welt der hochdekorierten Spitzenköchinnen Deutschlands blickt. Es sind wenige und ich möchte mich nicht in der Diskussion von Diskriminierung und #metoo verlieren. Gastronomie ist ein Knochenjob und für den Aufstieg bedarf es eines enormen Willens und einer umfassenden Kompetenz. Frauen können das auch, klar. Leider ist es nur für wenige möglich, die Nasenspitze aus der Masse herauszuhalten. Das gilt aber nicht nur für die Gastronomie, das gilt für alle Wirtschaftszweige. Paula Bosch hat das geschafft und wurde 1981 der erste weibliche Sommelier Deutschlands und trat ihre Stelle als Chef-Sommelière im Hotel Inter-Continental in Köln an. Damit war sie in der Top-Liga der Sommeliers angekommen und eigentlich ist es traurig, dass man das so sagen muss, weil es selbstverständlich sein sollte. In Wirklichkeit musste sie sehr darum kämpfen, diese Position zu erreichen. Ihre nachweislich erworbene Kompetenz alleine genügte nicht. Ihre Liebe zum Wein und Ihre Hartnäckigkeit zahlten sich aus. Sie wurde 1991 die Chef-Sommelière des Tantris und somit Frau (weil Herrin ist ja blöd) über 50.000 Flaschen des Tantris, wohlgemerkt eines Restaurants das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet war. Diese Position behielt sie 20 Jahre inne, bis sie sich mit Wein-Consulting selbständig machte.
Wer Paula Bosch einmal persönlich kennen lernen konnte, wird meinen, sie bereits beim Aufschlagen des Buches sprechen zu hören. In diesem Buch hat sie viel von ihren Erfahrungen und Erlebnissen eingebracht.
Los geht es mit einer Spritztour durch die Weinwelt. In diesem Kapitel werden Länder mit ihren unterschiedlichen Weinanbau-Gebieten kurz und knackig vorgestellt. Ergänzt werden die, auf das wesentliche reduzierte, Informationen mit Adressen von empfehlenswerten Winzern vor Ort. Bei ihren Weinreisen hat Paula Bosch natürlich viele Kontakte knüpfen können ein großes Augenmerk legt sie dabei auch auf den Nachwuchs. Unter dem Titel Schichtwechsel im Talentschuppen-Weingut stellt sie junge Winzer im Kurzportrait vor und empfiehlt zwei bis drei Weine aus der Weinliste. Somit hat man schon ein gutes Rüstzeug, wenn man sich auf den Weg machen möchte eine Weinregion zu entdecken und zu verkosten.
Welche Sau wird als Nächstes durchs Dorf getrieben? Diese Frage ist berechtigt, da die Weinwelt nicht still steht. Es übernehmen immer mehr junge und sehr gut ausgebildete Winzer die Familienweingüter und sie wollen sich ausprobieren. Paula Bosch beleuchtet so Themen wie veganer Wein, Orangewein oder Bio-Wein.
Ausgangsprodukt für Wein sind die Trauben. Die Unterscheidung in weiß und rot wäre zu einfach. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Rebsorten, die alle ihre Eigenart haben. Jeder Rebsorte ist eine Seite gewidmet. Im knappen Text kann man sich die wichtigsten Informationen schnell anlesen. Besonders gut gefallen mir, da ich eine schlampige Schnell-Quer-Leserin bin, die prägnaten Begriffe in unterschiedlichen Farben und Größen. Da hat man mit einem schnellen Hinschauen Hauptaromen, Bodenbeschaffenheit und Anbaugebiete parat. Schön wäre es gewesen, wenn das Foto der Rebe auch auf dieser Seite gewesen wäre. Vermutlich war das aus Platzgründen nicht möglich und so finden wir es in einer Collage am Anfang des Kapitels.
Bevor es in den praktischen Teil geht, gibt es noch einen Überblick über die unterschiedlichen Arten von Schaumwein und persönliche Empfehlungen dazu.
Ungefähr ein Drittel des Buchs sind ganz konkreten Praxistipps vorbehalten. In den Kapiteln werden alle Themen rund um Weineinkauf, Lagerung, Wein probieren, passende Speisen, Wein in der Gastronomie und Beurteilung von Wein erläutert. Abschließend sind im Serviceteil Angaben zu Weinbars, Weinhändlern, Weingütern, Weiterbildungsmöglichkeiten und Weinmessen zu finden.
Die Texte sind grundsätzlich kurz und knapp gehalten. Mir gefällt das, weil man sich schnell und gezielt die gewünschte Information anlesen kann. Die Kapitel werden mit Fotos, nicht zu viel und nicht zu wenig, aufgelockert.
Fazit:
"Wein genießen" von Paula Bosch lebt von ihrer umfassenden Kompetenz. Es ist eine ausgewogene Mischung aus gut und knapp erklärten Grundlagen und sehr persönlichen Empfehlungen. Mit diesen vielen Praxis-Tipps sollte es nicht im Regal stehen, sondern immer wieder zur Hand genommen und bei speziellen Fragen rund um Wein konsultiert werden.
Der Callwey-Verlag hat auf ein Glas Wein mit Paula Bosch eingeladen. Die Veranstaltung fand in der neuen Weinhandlung der Münchner Weinbar Walter & Benjamin statt. Ich habe Euch ein paar Impressionen von der Buch-Präsentation mitgebracht.
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6. Ich verkaufe keine Daten, ich mache keine Auswertungen damit und ich lösche nichts. Ich lebe ein ganz normales Leben und habe Freude am Kochen und am Teilen meiner Erfahrungen. Für alles andere habe ich keine Zeit, keine Nerven und keine Erfahrung.