Hans Stefan Steinheuer machte seine Kochausbildung im Gut Schwarzenbruch im Rheinland. Als prägend für seinen späteren Kochstil können das Hotel-Restaurant Erbprinz in Ettlingen und die Schweizer Stuben in Wertheim gesehen werden. Dort arbeitete er als Souschef mit Dieter und Jörg Müller zusammen. 1985 ging es, zusammen mit seiner Frau Gabriele, zurück in den elterlichen Betrieb in Bad Neuenahr. Damals war die Alte Post noch ein Landgasthof, doch Hans Stefan Steinheuer etablierte dort eine Gourmet-Küche mit viel Liebe zu den Produkten und den Grundlagen der französischen Küche. Bereits nach einem Jahr wurde er mit dem ersten Michelinstern ausgezeichnet, auf den 1999 der zweite folgte. Er gilt als einer der "Väter" des deutschen Küchenwunders.
Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die erfolgreiche Kombination aus Bewahrung des Alten und Einbringung neuer Ideen weiter geht. Vor drei Jahren hat Christian Binder die Leitung der Küche übernommen. Er kam, nach seiner Ausbildung bei Michael Hoffmann im damaligen Berliner Restaurant Margaux, als Demi-Chef in das Haus. Dort lernte er Désirée, die Tochter von Gabriele und Hans Stefan Steinheuer, kennen und lieben. Gemeinsam gingen sie auf die Lehr- und Wanderjahre, die sie bis nach Shanghai, London und zu Nils Henkel ins Schlosshotel Lerbach brachten. Bestens vorbereitet traten sie dann ihre neuen Aufgaben in Küche und Service an. Damit sind neue Wurzeln gelegt, um die Geschichte dieses besonderen Hauses weiter zu schreiben.
Der Tre Torri Verlag ist einer der wenigen Verlage, der überhaupt noch Kochbücher aus der Spitzen-Gastronomie verlegt. Besonders schön ist, dass sich Verleger Ralf Frenzel von Anfang an Gedanken über das Format gemacht hat. Und so reiht sich dieses Buch, mit seinem großen quadratischen Format und seiner hochwertigen Ausstattung, nathlos in diese Reihe ein. Es mag seltsam klingen, dass für mich die wahre Größe dieses Buchs in der Bescheidenheit der Hauptakteure liegt.
Mit dem Titel "Unsere Wurzeln" verbinde ich Tradition, viel Verbundenheit zur Familie, zur eigenen Geschichte und zur heimatlichen Region, aber auch den Anbau von hochwertigen Lebensmitteln und die perfekte Umsetzung in Gerichte. Alles das hat Platz gefunden, wobei im Fokus die 60 Gerichte stehen. Ich erinnere mich an andere Kochbücher, bei denen ein Drittel bis zur Hälfte der Seiten sich nur um den Koch drehen.
Es genügen wenige Seiten zum Auftakt, um sich in die wechselhafte Geschichte der Region und des Restaurants einzulesen. Das macht man dann auch gerne, weil man schnell im Thema ist und sich dann auf die Rezepte freuen kann. Und da sprechen wir dann von rund 200 Seiten, auf denen es nur um Gerichte geht, wie sie bei Steinheuers den Gästen serviert werden.
Die Rezeptkapitel orientieren sich am klassischen Aufbau der französischen Menüfolge. Auf die Amuses-Gueules folgen die Vorspeisen. Bei den Zwischengängen wird zwischen Vegetarisch, Fisch und Fleisch unterschieden. Alle Hauptgänge sind Fleischgänge, dafür gibt es auch Rezepte für "echte" Käsegänge (keine Käseauswahl) und natürlich Desserts. Wie es sich gehört sind die Fonds, Saucen, etc. in dem eigenen Kapitel Grundrezepte. Vorbildlich ist das Glossar, das sowohl spezielle Zutaten, als auch Küchenfachbegriffe alphabetisch auflistet. Mir fehlt ein alphabetisches Rezeptregister. Zum leichteren Auffinden hätte ich mir eine Liste mit allen Rezeptkomponenten sehr gewünscht.
Den Rezepten hat man Platz gegeben, viel Platz. Für die Amuses, deren Komplexität geringer ist, sind immer zwei Doppelseiten reserviert. Das ist ausreichend für das Foto des Gerichts, die Zutatenliste und die Zubereitungsanweisung. Bei allen anderen Gängen wird das Foto auf einer Doppelseite präsentiert. Ungewöhnlich ist, die Unterlegung des Rezepttitels mit dem Foto. Dadurch wird es schwer leserlich. Die umfangreichen Rezepte brauchen eine Doppelseite, wenn man es so sorgfältig macht, wie hier geschehen. Jede Komponente des Gerichts hat eine eigene Zutatenliste und einen eigenen Rezepttext. Das macht es einfach auch nur einmal eine Komponente auszuprobieren. Um so wichtiger wäre das Rezeptregister gewesen. Jeder Arbeitsschritt ist genau erklärt. Jeder Fachbegriff bzw. jede ungewöhnliche Zutat ist mit einem Stern (Verweis auf das Glossar) gekennzeichnet. Sollten Grundrezepte zum Einsatz kommen, ist gleich die Seitenzahl, auf der das Rezept zu finden ist, angegeben. Bei jedem Gericht ist angegeben, für welche Personenanzahl es gedacht ist. Die angegebenen Mengen passen sogar zu dieser Personenzahl und das ist in Kochbüchern dieser Liga sehr selten.
Eigentlich wollte ich zwei Rezepte für diese Rezension kochen. Auch wenn alles perfekt für den Hobbykoch aufbereitet ist, es handelt sich nicht um Alltagsküche, die in 30 Minuten auf dem Tisch steht. Das ist schon Hobbykochen, bei dem man sich mindestens einen halben Tag damit beschäftigen sollte und diese Zeit habe ich leider nicht gehabt. Ich werde das nachholen, sobald es mir möglich ist. Trotz meines sehr engen zeitlichen Umfelds hat es mir sehr großen Spaß gemacht dieses Gericht zu kochen. Es ging mir leicht von der Hand, es hat alles sehr gut funktioniert und vom Geschmack waren wir sehr begeistert. Und zwar so begeistert, dass ich mir ein einfaches "Alltagsrezept" ausgedacht habe, um die wunderbare Kombination aus Karotte, Aprikose und Haselnuss öfters essen zu können.
Karotte mit Pilzchutney, Aprikose und Haselnuss
Fazit:
"Steinheuer - Unsere Wurzeln" ist ein sehr sorgfältig gemachtes Kochbuch mit Rezepten aus der Spitzengastronomie. Natürlich ist es für die ambitionierten Hobbyköche und auch für Profiköche sehr geeignet. Als besonders gut geeignet empfinde ich es für Hobbyköche, die schon ein gutes Wissen haben uns jetzt den nächsten Schritt machen möchten und sich einmal an komplexere Gerichte wagen möchten. Aufgrund der ausgezeichneten Beschreibung und der realistischen Mengenangaben, kann man die Rezepte umsetzen, ohne vorher daran "schrauben" zu müssen. Für Liebhaber der Küche von Hans Stefan Steinheuer und Freunde des Hauses ist es ein Muss.
Sehr informativ . danke! Liebe Grüße Christine O.
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