Dienstag, 4. September 2018

Rezension: Das Feierabend-Kochbuch - Blaue Stunde von Stevan Paul

Vor vielen Jahren habe ich einmal einen Fotografie-Kurs gemacht. An meinen Fotos sieht man, dass da nicht viel hängen geblieben ist und ehrlich gesagt, fotografiere ich nicht gerne, sondern sehe es als notwendiges Übel an, um Essen zu dokumentieren und virtuell zu teilen. Eine Aussage des Referenten habe ich mir gemerkt. Die schönsten Fotos könne man zur blauen Stunde machen, also die Zeit, wenn die Sonne untergegangen ist, die ersten Lampen angehen und noch genug Licht da ist, um zu fotografieren. Ich liebe diese Stimmung und bevorzuge es, einen Apero zu mir zu nehmen, anstatt mit der Kamera zu hantieren. Ich bin eine sehr große Liebhaberin der Apero-Kultur und leider nehme ich die Gelegenheit kaum wahr, liebe Menschen auf eine Einstimmung auf den Abend einzuladen. Aber, ich arbeite an mir.

Seit ich erfahren habe, dass Stevan Pauls nächstes Buch den Titel "Blaue Stunde - Rezepte, die den Abend feiern" tragen wird, habe ich mich darauf gefreut. Und jetzt ist es endlich erschienen.


Kaum ein Kochbuch-Autor versteht es so gut, wie Stevan Paul, in einem Kochbuch den Bogen zu spannen von gelingsicheren und geschmackvollen Rezepten über schön erzählte Geschichten bis hin zur musikalischen Untermalung, um Lust auf Kochen, Genießen und Teilen im Kreis von Gleichgesinnten zu machen. Exemplarisch möchte ich in dieser Reihe das "Craft Beer Kochbuch", das "Open Air Kochbuch" und das Kochbuch über die japanische Küche, die bereits sehr viele Liebhaber gefunden haben. In meiner Rezension zu Stevan Pauls japanischer Küche habe ich ein paar Worte zu seiner Vita geschrieben.

Die Rezepte in diesem Buch versinnbildlichen eine Reise um die Welt dem Sonnenlauf folgend. Der Start ist in Samoa und die Reise endet in Mexiko. Dazwischen liegen Stationen wie Australien, China, Türkei, Italien, Österreich, Schweden, Marokko, Brasilien, die USA und noch viele andere mehr. Zu jedem Land gibt es eine kleine Erläuterung, wie dort typisches Barfood aussieht, untermalt mit stimmungsvollen Reisefotos. Die stammen von der Fotografin Daniela Haug, mit der Stevan Paul bereits bei einigen Kochbüchern zusammen gearbeitet hat. Daran schließen sich eine Handvoll landestypische Rezepte an. Die Auswahl ist sehr gemischt, da sind Knabberzeug, Burger, feine Vorspeisen, klassische Hausmannskost und vieles mehr zu finden. Rezepttexte und Zutatenlisten sind unterschiedlich gestaltet. Bei einfacheren Rezepten stehen die Zutaten nur im Rezepttext, sind aber durch Fettdruck hervorgehoben. Ansonsten entspricht die Darstellung meiner Vorliebe für übersichtliche Auflistung der Zutaten und der ausführlichen und gut beschriebenen Zubereitungsanweisung. Hilfreich sind die Personenangabe bei jedem Rezept und Empfehlungen für das passende Getränk. Besonders gut gefallen haben mir die kleinen Geschichten, die zu manchen Gerichten interessante Hintergrundinformationen geben. Wie es sich für ein optisch ansprechendes Kochbuch gehört, gibt es zu jedem Rezept auch das passende Foto des fertigen Gerichts. Meist auf der Seite, die dem Rezepttext gegenüber ist. Manchmal auch auf der Seite davor oder danach. In diesen Fällen gibt es eine Art "Gruppenbild", bei dem alle Gerichte einer Region gemeinsam auf dem Tisch stehen. Das ist auch attraktiv, weil man sich gleich vorstellen kann, was gut zusammenpasst.

Für das leichte Auffinden von Rezepten gibt es im Anhang eine alphabetische Rezeptübersicht. Wer sich in die Plätze auf den Fotos verliebt hat, der freut sich über die Liste mit den Lokalitäten, wo sie entstanden sind. Zur guten Stimmung trägt immer die passende Musik bei. Damit die Leser das nachempfinden können, gibt es auf youtube eine Playlist, die über einen QR-Code heruntergeladen werden kann.


Wie eingangs erwähnt, liebe ich die Apero-Kultur und habe mich schwer getan, eine Auswahl zu treffen, da mich sehr viele Rezepte angesprochen haben. Ich wollte so gerne viele unterschiedliche Kleinigkeiten anbieten. Und das ist es dann auch geworden, ein Sammelsurium an Köstlichkeiten aus unterschiedlichen Regionen, zu denen wir einen neuen Wermut verkostet haben. Little Crab heißt er und stammt von Freunden, die sich zusammen getan haben, um diesen handwerklichen Wermut zu machen. Die Kombination ist einfach ideal, wenn sich zwei Winzer (Weingut Dalgaard & Jordan) und ein Schnapsbrenner (Destillerie Kohler) zusammentun.

Wir verbrachten einen sehr schönen Abend mit gutem Essen, einem guten Getränk und guten Gesprächen. Die begleitende Musik habe ich leider noch nicht ausprobiert, aber das kommt noch.

Die Rezepte sind in der bewährten Qualität von Stevan Paul. Sie funktionieren, sind leicht nachzuvollziehen und das Resultat ist sehr schmackhaft. Bei der Schlichtheit, die manche Rezepte haben, sollte man auf die beste Qualität der Zutaten achten. In der Regel kann man diese in gut sortierten Supermärkten finden. Für das ein oder andere Produkt empfiehlt sich ein Wochenmarkt oder ein Spezialist, wie ein Fischhändler.

Alcafochas con Anchovas
oder: Artischocken mit Sardellen und Basilikumsauce (Spanien)

Es ist wirklich nicht mehr und die Genialität liegt in der Einfachheit und im Geschmack.
Negi Maguro
oder: Thunfisch mit Frühlingszwiebeln und Sojasauce (Japan)

Anderes Land, aber gleiches Konzept das mit einer Mischung von hochwertigen Zutaten und möglichst naturbelassener Zubereitung besticht.
Rumaki
oder: marinierte Geflügelleber mit marinierten Wasserkastanien in Speck gewickelt und im Ofen geröstet (USA)

Blitzschnell gemacht und endlich mal eine schöne Abwechslung zur Dattel im Speckmantel.
Fremantle Sardine Plate
oder: der klassische griechische Bauernsalat mit einer süchtig machenden Marinade und dazu gebratene Sardinen (Australien)

Ich habe dafür Tomaten, Gurken und Oregano aus dem eigenen Garten verwendet. Dazu gebratene Sardinen, die nach dem Ausnehmen fast keine Arbeit mehr machen. Der Aufwand und der Luxus dieser Rezepte besteht nicht in der Zubereitung, sondern im Verstehen des Zusammenspiels und der Beschaffung der Zutaten.
Geröstete Macadamia
oder: Sichimi Togarashi (Australien)

Macadamia und Cashew werden mit Eischnee und Gewürzen vermengt und im Ofen getrocknet. Das Ergebnis ist süchtig machendes Knabberzeug mit einer gelungenen Geschmackskombination aus sauer und scharf. Dazu darf es dann auch etwas Besonderes zum Trinken sein, wie der handwerklich gemachte Wermut Little Crab. Eine Kooperation eines Rheingau-Weinguts und einer Stuttgarter Schnapsbrennerei.
Eingelegte Paprika mit Salamibroten
oder: Baguettescheiben, mit Butter bestrichen, Salami belegt und gekrönt von der eingelegten Paprika (Ungarn)

Zum Rezept für die eingelegte Paprika, die uns so gut gefallen hat, dass wir ein Glas davon in unseren Badeurlaub mitgenommen haben, geht es hier.
Fazit:
Das Feierabend-Kochbuch: Blaue Stunde von Stevan Paul bietet viele schöne Anregungen für unkomplizierte Gerichte und geselliges Beisammensein. Mit den wunderbaren Fotos und Geschichten lädt es auf eine kulinarische Weltreise ein. Die Rezepte sind so gut beschrieben und gelingsicher, dass auch weniger erfahrene Hobbyköche damit zurecht kommen. Ich halte es für auch für sehr geeignet, wenn man zum ersten Mal Gerichte eines Landes ausprobieren und Gäste zum Themenabend einladen möchte.

4 Kommentare:

  1. Hallo, was soll ich sagen?
    Gestern hatte ich Deinen Bericht gelesen, heute hatte mein Buchhändler das Buch im Regal stehen und jetzt liegt es hier auf meinem Tisch...
    Liebe Grüße

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    1. Liebe Sewwi, das freut mich. Jetzt steht einer kulinarischen blauen Stunde ja nichts mehr im Weg. Viel Spaß mit dem Buch.

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  2. Verspätet, aber nicht weniger herzlich: Danke für die schöne Rezension. Ich hoffe, dass ich es auf die Buchmesse schaffe und Herrn Paulsen mal persönlich kennen lerne - das Buch steht jedenfalls bei mir auf dem Wunschzettel.

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    1. Sehr gerne, liebe Christin. Ich schaffe es leider nicht auf die Buchmesse, aber ich weiß, dass Herr Paulsen vor Ort ist. Er würde sich sicher über ein Kennenlernen freuen.

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4. Ich mache sonst nichts. Die Kommentare stehen einfach so unter dem Blog-Beitrag.
5. Wenn Du das nicht willst, nimm' einfach die Finger von der Tastatur.
6. Ich verkaufe keine Daten, ich mache keine Auswertungen damit und ich lösche nichts. Ich lebe ein ganz normales Leben und habe Freude am Kochen und am Teilen meiner Erfahrungen. Für alles andere habe ich keine Zeit, keine Nerven und keine Erfahrung.