Stevan Paul kann man mittlerweile zu den sehr etablierten deutschen Kochbuch-Autoren zählen. Das Rüstzeug dazu verdankt er seiner Ausbildung zum Koch in Ravensburg. Sein Ausbilder Albert Bouley gehörte zum damals noch kleinen Kreis der Spitzenköche. Danach ergänzte er seine berufliche Kompetenz in weiteren Spitzenrestaurants, wie bei Otto Koch in München. Danach wechselte er die Seiten und arbeitete als Rezeptautor und Foodstylist. Parallel dazu baute er seinen Blog Nutriculinary auf.
Als Basis für sein großformatiges Buch (Freunde des Brandstätter Verlags kennen das, es ist das höhere der beiden Formate) hat sich Stevan die französische Küche als Orientierung genommen und das ist notwendig, um der Fülle des Materials eine Struktur zu geben. Ich bin stolze Besitzerin von fast allen seiner Kochbücher und das ist wirklich ein "gewichtiges" Werk und mit keinem der eher thematisch geprägten Büchern vergleichbar.
Kochen ist Freiheit und ich habe lange gebraucht, um es zu begreifen und es zuzulassen. Der wichtigste Mentor dafür war Stefan Marquard für mich. Die Möglichkeit mit Profis in dieser Liga zu kochen hat nicht jeder und dies möchte Stevan mit seinem Buch ermöglichen. Die grundsätzliche Idee ist es, nicht nur ein Rezept zu präsentieren, sondern es mit Warenkunde, Tipps und Tricks, Variationen und Alternativen zu ergänzen. Das passiert geballt auf einer Seite und nicht mit unzähligen Querverweisen auf andere Seiten. Ich bevorzuge diese Herangehensweise sehr.
Die professionelle Aufgabenteilung in einer Küche geschieht nach Posten, wobei jeder Koch für einen bestimmten Bereich zuständig ist. Das muss man als Amateur nicht wissen, aber man kann damit immer Eindruck schinden :-). Nach diesem Postensystem sind die Rezeptkapitel aufgebaut:
- Vorspeisen auf dem Posten Garde Manger
- Fisch und Meeresfrüchte auf dem Posten Poissonier
- Gemüse auf dem Posten Entremetier
- Saucen & Fonds auf dem Posten Saucier
- Fleisch auf dem Posten Rotisseur
- Käse - ach, jetzt hakt es, den Posten gibt es nicht, aber Käsegänge in der klassischen Menüfolge schon (psssst, das macht der Patissier mit)
- Desserts auf dem Posten Patissier
Über die Qualität der Rezepttexte von Stevan muss ich eigentlich keine Wörter mehr verlieren. Die sind verständlich und die funktionieren - immer! Zusätzlich gibt es Angaben zur Personenanzahl und zur aufzubringenden Zeit. Neu ist, dass ein Gericht in Komponenten dargestellt wird, so wie auch ind er Profiküche gedacht wird. Wer es so kochen möchte, wie es auf dem Rezeptbild zu sehen ist, der kocht einfach alle Komponenten. Wer mal mutig ist und neue Wege gehen möchte, der orientiert sich an den Tipps und Varianten und stellt die Gerichte neu zusammen. Ich finde es gut, dass ein Kochbuch diese professionelle Denkweise anregt und wer sich darauf einlässt, wird immer mehr Sicherheit bekommen, Zutaten zu sehen und einfach etwas daraus zu kochen Genau das ist eigentlich das Herzstück von Kochen.
Kochen ist ein Handwerksberuf, der erlernt werden kann. Wir Hobbyköche sind eher Rezeptköche. Das bedeutet, dass wir uns an einem Rezept orientieren und Schwierigkeiten bekommen können, wenn wir eine erforderliche Zutat nicht kaufen können oder während der Zubereitung etwas schief läuft. Um so mehr man fachliches Know-How zur Verfügung hat, um so mutiger und sicherer kann man werden. Bei Profis gipfelt das, egal was alles schief gelaufen ist, in der Aussage: "das gehört so!" Für diese Sicherheit möchte Stevan einen fachlichen, aber nicht trockenen, Einblick in Kochtechnik, Geschmack und Warenkunde geben. Diese Wissensthemen sind immer wieder locker eingestreut zwischen den Rezepten. Sie sind kurz und prägnant und es lohnt sich, diese entweder nach Lust und Laune zu lesen oder sich gezielt mit einem Thema auseinander zu setzen. Zum Auffinden hilft das Inhaltsverzeichnis gleich auf den ersten Seiten. Um die vielen Rezepte leichter zu finden, hilft ein ausführliches Rezeptregister am Ende des Buchs.
Was soll man für eine Rezension aus über 500 Rezepten kochen? Vor dieser Frage stand ich ernsthaft, als ich mich durch den dicken Wälzer geblättert habe. Wie stellt man die Bandbreite eines solchen Buchs dar. Die Erleuchtung hatte ich dann ganz spontan im Kapitel "Fisch und Meeresfrüchte", als mir klar wurde, dass die Rezepte alle Lebenslagen abdecken. Ich habe dann ganz bewusst nur Rezepte aus diesem Kapitel ausgewählt und mich für ein sehr einfaches, ein rustikales und ein eher feines entschieden. Wie bereits gesagt, es fiel mir sehr leicht, es nachzukochen und geschmeckt hat es uns ausgezeichnet. Wie man bei meiner Auswahl sieht, sind die Zutaten grundsätzlich gut zu beschaffen. Vieles ist im normalen Supermarkt erhältlich, für manches, wie die Calamaretti oder die besonderen Sardinen, muss es auch mal ein Delikatessenhändler sein. In großen Städten dürfte die Beschaffung sicher einfacher sein, als im dörflichen Bereich.
Kabeljau "Alentejo", Kichererbsen, Paprika-Butter-Sauce
Calamaretti, gebratene Melone mit Basilikumvinaigrette, Thymian-Zitronen-Brösel
Fazit:
"kochen" von Stevan Paul richtet sich an Menschen, die gerne ihren Horizont in der Küche erweitern wollen. Besonders empfehlen möchte ich es, wenn jemand nach dem "einen" Buch sucht, da Rezepte für alle Lebenslagen und aus allen Herren Ländern enthalten sind. Die Gerichte sind interessant und kreativ. Sie eignen sich für eine schnelle Alltagsküche genauso, wie für die Gästebewirtung und, für mich sehr erfreulich, ganz weit weg von Trends wie One-Pot, Bowl und Konsorten. Es ist ein Buch, das den Begriff "Kochbuch" wirklich verdient und es trägt die Handschrift eines sehr rezeptsicheren Profikochs.
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6. Ich verkaufe keine Daten, ich mache keine Auswertungen damit und ich lösche nichts. Ich lebe ein ganz normales Leben und habe Freude am Kochen und am Teilen meiner Erfahrungen. Für alles andere habe ich keine Zeit, keine Nerven und keine Erfahrung.